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12/12/2019
David Hein's Champions League Home Grown
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Die langen Reisen zahlen sich für Herkenhoff nun aus

Um die Entwicklung junger, lokaler Talente zu unterstützen, müssen Teams in der Basketball Champions League fünf eigene Nachwuchstalente auf dem Spielbogen melden (bei zehn oder weniger gemeldeten Spielern sind es nur vier Eigengewächse). Viele dieser Spieler werden als Top-Talente in ihren jeweiligen Ländern angesehen. Wir schauen in dieser Saison auf diese Spieler und ihren Fortschritt.

VECHTA (Deutschland) - Wann immer der Basketball schwierige Momente bereithält, braucht sich Philipp Herkenhoff nur an die Arbeit erinnern, die er in das Spiel schon investiert hat. Vor allem die langen Fahrten allein zum Training formten eines der größten Talente Deutschlands und nun auch der Basketball Champions League.

Herkenhoff startete die Saison mit einer großen Erwartungshaltung für seinen Klub RASTA Vechta, der zum ersten Mal auf europäischer Bühne antritt. Der Youngster hatte einen erfolgreichen Sommer hinter sich. Schon jetzt hat der 20-Jährige in der BCL Höhen und Tiefen erlebt. Was aber nicht überrascht. 


Herkenhoffs Debütsaison in Europa beinhaltet 14 Punkte gegen
 EB Pau-Lacq-Orthez am zweiten Spieltag, sowie 11 Punkte gegen San Pablo Burgos im 7. Spiel. Allerdings blieb er auch ohne Punkte gegen Teksüt Bandmira und machte zwei Mal nur 2 Punkte. Sein Schnitt liegt bei 5.7 Punkten, 40.0 Prozent aus der Distanz, 1.1 Rebounds, 0.4 Assists und 0.6 Steals in 14 Minuten pro Partie.

"Ich hatte viele Höhen und Tiefen. Ich muss konstanter werden und mein Spiel auf das nächste Level bringen", so Herkenhoff. "Das Spiel wird international anders gepfiffen, als in der BBL. Daran muss ich mich erst gewöhnen."

Die langen Fahrten zu Training

Wird Herkenhoff gefragt, wann er dachte, den Basketball zu seinem Beruf machen zu können, erinnert sich dieser an seine langen Fahrten zum Training der Artland Dragons im Alter von 14 und 15 Jahren. Drei Mal die Woche fuhr er von Hagen am Teutoburger Wald nach Quakenbrück. Seine Eltern brachten ihn zum Bahnhof Osnabrück, 15 Minuten entfernt. Von dort ging es 40 Minuten mit dem Zug ans Ziel. 

"Meistens machte ich meine Hausaufgaben oder lernte", erinnert sich Herkenhoff, der dadurch weniger Zeit mit seinen Freunden hatte. "Ich hatte ziemlich früh das Gefühl, dass ich etwas erreichen kann, andernfalls hätte ich diese Strapazen nicht auf mich genommen."

Die Vorbilder: Mama .... und Dirk


Herkenhoff kam früh mit dem Basketball in Berührung. Seine Mutter spielte in Hagen. 

"Als ich 5 Jahre alt war, spielte meine Mama in der zweiten Liga und ich war bei jedem Spiel dabei", erinnert er sich. 

Als Teenager gab es für ihn keinen Zweifel, wer sein Vorbild sein würde. Dirk Nowitzki war das Idol ganzer Generationen. 

"Wie jeder junge Mensch in Deutschland habe ich Dirk Nowitzkis Karriere verfolgt. Er hat mich maßgeblich geprägt, in allen Bereichen", so Herkenhoff. 

Erfolg mit den Dragons

Herkenhoffs Beginn war bei den Young Dragons. In 2014 verhalt er dem Team zum ersten Titel in der U16 JBBL, zusammen mit Isaiah Hartenstein. Die Young Dragons scheiterten im Jahr darauf im Finale an Porsche BBA Ludwigsburg. Herkenhoff wurde zum MVP des 2015 JBBL Final Four gewählt.


Während der Saison erhielt Herkenhoff eine Einladung zum Jordan Brand Classic in den USA. Im Sommer 2015 spielte er zum ersten Mal in der Nationalmannschaft bei der FIBA U16 EM 2015 und legte im Schnitt 10.1 Punkte, 7.1 Rebounds, 1.8 Assists, 1.6 Steals und 1.0 Blocks auf.

Vor der Saison 2015-16 wechselte Herkenhoff zu RASTA Vechta, lief in der ProA zwei Mal auf und war der 2016 Rookie of the Year in der U19 NBBL. Im April 2016 verhalf er Deutschland zum Sieg im Albert Schweitzer Turnier und lief anschließend bei der FIBA U18 EM auf, wo Deutschland Vierter wurde und sich für die FIBA U19 Basketball WM 2017 qualifizierte - die erste Teilnahme des Landes seit 1987.

In 2016-17 sah er sechs Einsätze in der BBL nach Vechtas Aufstieg aus der ProA. Herkenhoff spielte mit Derrick Allen zusammen, einem der verdientesten Veteranen der Bundesliga. 


"Ich habe viel von meinen Teamkollegen gelernt, vor allem von Derrick Allen, der mich immer unterstützt hat, mir Ratschläge gab und immer da war", beschreibt Herkenhoff Allen, der in Vechta nun als Assistenztrainer tätig ist, nachdem er im Alter von 39 Jahren seine Karriere beendete. Allen spielte 16 Jahre in Europa, 14 davon in Deutschland. 

Der fünfte Platz bei der U19 WM

Die Zeit mit Allen half Herkenhoff zu lernen und mehr Verantwortung in seiner Altersklasse zu übernehmen. Bei der FIBA U19 Basketball WM 2017 machte er 6.4 Punkte, 2.7 Rebounds und 1.0 Assists als Rotationsspieler. Das Team verlor im Viertelfinale gegen due USA und holte Platz fünf.  

"Die USA hatten ein sehr gutes Team und waren athletischer. Wir konnten eine Zeit lang mithalten. Platz fünf war ein großer Erfolg."

Im Sommer 2017 spielte er auch in seinem Jahrgang von 1999 bei der FIBA U18 EM 2017 und erzielte 12.0 Punkte, 7.4 Rebounds, 2.1 Assists und 1.7 Steals im Schnitt. Deutschland holte Platz 11. 

Das finden einer Rolle in Vechta

Wer auf einer Karte nach Vechta sucht, wird keine große Markierung finden. Die Kleinstadt befindet sich im Nordosten des Landes, circa 100 Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt und besitzt rund 14.000 Einwohner. Herkenhoff beschreibt es als sehr ländlich. Die Liebe zu RASTA Vechta ist hingegen groß. Der Aufstieg gelang zum ersten Mal in 2013. Der sofortige Abstieg wartete aber nicht lang. 2016 folgte der nächste Aufstieg, mit dem gleichen Ausgang. 2018 kehrte Vechta zurück in die BBL. Herkenhoff nennt die Fans als großen Teil der Vereins-Identität.

"Wir sind ein motiviertes Team und wollen stets gewinnen. Deswegen stehen unsere Fans auch hinter uns", beschreibt Herkenhoff die Dynamik. In 2017-18 erzielte er als 18-Jähriger 7.6 Punkte, 3.8 Rebounds und 1.5 Assists in der ProA.

Vechta gewann die Meisterschaft 2018 in der ProA, verlor aber Coach Douglas Spradley. Der 34-jährige Assistent Pedro Calles übernahm das Amt zum ersten Mal. Herkenhoff saß in der ersten Reihe für Vechtas magische Saison 2018-19, in der der Aufsteiger Alba Berlin, Brose Bamberg, den FC Bayern München und auch die EWE Baskets Oldenburg besiegen konnte.

In diesem Jahr sammelte Herkenhoff auf persönliche Highlights. Am 13. November gab er sein Debüt in der Nationalmannschaft im fünften Länderspielfenster für die Quali zur EM 2019. 

"Es war ein besonderer Tag. Ich erinnere mich mit meinen Eltern am Esstisch zu sitzen, als Henrik Rödl anrief. Ich war so aufgeregt", sagt Herkenhoff. 


Nach drei Jahren im Jugendbereich trug er nun das Trikot der Nationalmannschaft. Am 30. November gab er gegen Griechenland in Patras sein Debüt. Gegen Estland spielte er knapp drei Minuten wenige Tage später.  

"Ich habe in der Zeit viel von den erfahrenen Spielern gelernt", sagt er.

Mehr Verantwortung


In der Playoff-Serie gegen Brose Bamberg vergangene Saison musste Herkenhoff, der Selbstvertrauen hatte tanken können, mehr Verantwortung für Vechta übernehmen. Dem Aufsteiger fehlten verletzungsbedingt einige Akteure und spielte mit nur sieben Mann. Trotzdem gewann der Underdog die Serie mit 3-1. Auch dank Herkenhoff, der seine vielleicht beste Leistung seiner jungen Karriere hinlegte und im Schnitt 15.8 Punkte bei 57.8% aus dem Feld erzielte. Dazu 50% aus der Diatanz und 85.7% von der Linie. Er schnappte sich 7. 0 Rebounds und 1.5 Steals. 

"Ich erhielt viel Spielzeit und Verantwortung und sagte mir, ich muss aggressiver sein. Das hat gut funktioniert und ich bin nun Teil dieses tollen Erfolgs", so Herkenhoff. 

Im Halbfinale gegen den Meister FC Bayern spielte er nur 27 Minuten in zwei Spielen bei 2 Punkten und 2 Rebounds. 

 

Die Verlängerung bei Vechta


Herkenhoffs Saison ging mit der
 FIBA U20 EM 2019 weiter. Er war Leistungsträger des Teams, das Dritter wurde. Herkenhoff wurde in die All-Star Five berufen.

"Ich wusste dass ich viel Verantwortung übernehmen sollte. Am Ende spielten wir aber als Team stark und hatten Erfolg", resümiert er. Herkenhoff legte 16.0 Punkte, 8.2 Rebounds und 3.0 Assists auf. "Niemand hatte erwartet, dass wir den dritten Platz holen."

Im Sommer 2019 meldete er sich auch für den NBA Draft an, zog dann aber zurück und unterschrieb bei Vechta. 

"Ich hatte einige Angebote von BBL-Klubs und auch international, entschied mich aber für Vechta, da es die beste Kombination aus Schule und Sport ist."

 

Herkenhoff lernt weiterhin. Auch in der Bundesliga erlebt er Höhen und Tiefen. In 5 von 11 Spielen machte er weniger als drei Punkte. Drei Mal blieb er ganz ohne Zähler. Allerdings legte er auch 13 Punkte gegen Alba Berlin auf und 20 gegen die Basketball Löwen Braunschweig. Dieses Spiel erinnerte an das Spiel gegen Bamberg aus dem Vorjahr, wo er 12 seiner 20 Punkte im letzten Viertel machte und Vechta nach -27 mit 106:103 gewann. 

"Das war unglaublich. So ein Spiel hatte ich noch nie", beschreibt Herkenhoff. 

Einige Tage später gewann Vechta bei AEL in der BCL mit 79:72. 

"Am Ende ist es ein Sieg wie jeder andere, doch es ist auch besonders, in der Halle und Atmosphäre zu siegen."

Es war auch ein weiterer Beweis, dass sich Herkenhoffs lange Fahrten zum Training auszahlen. 

David Hein

David Hein

Walk into the media tribune of any major basketball event and there's a good chance you will come across David Hein. Having covered dozens of FIBA events, including numerous women's and youth events, there are few players Dave doesn't know about, and few players who don't know him. His sporting curiosity means he is always looking to unearth something new and a little bit special. David Hein's Champions League Home Grown is a weekly column digging out the freshest basketball talent in the competition and assessing what the basketball landscape will look like a couple of years down the line.