
Inside the BCL - Das Leben als Interim-Headcoach mit Chris O'Shea
BONN (Deutschland) - Nach zwei verpassten Playoff-Spielzeiten schaffen es die Telekom Baskets Bonn in dieser Saison zum ersten Mal aus der Gruppenphase heraus in die Playoffs der Basketball Champions League.
Allerdings fühlte sich der Klub nach schwachen Leistungen in der BBL-Saison und einer neuerlichen Niederlage am vergangenen Sonntag gezwungen, Headcoach Thomas Päch freizustellen. Der Erfolg aus der BCL blieb in der Bundesliga aus.
Pächs Assistent, der aus Alaska stammende Chris O'Shea, übernimmt übergangsweise. Der US-Amerikaner ist eine Konstante im Verein, seit er sich 2015 Bonn anschloss. Als Assistent übernahm er vieles, vom Scouting bis hin zur Spielerentwicklung. Schon in der vergangenen Saison agierte er als Interimstrainer, was ihm bei seiner aktuellen Aufgabe helfen wird, Bonn in der BBL wieder auf Kurs zu bringen.
O'Shea (l.) und Päch (r.)
Alaska ist nicht der erste Gedanke, wenn es um Basketball-Hochburgen geht. O'Shea wurde durch seine Heimat allerdings stark geprägt und verleiht ihm seine ruhige, besonnene Art. Dazu finden sich immer mehr Erfolgsgeschichten, die ihren Anfang in Alaska haben.
"Brad Oleson ist eine, Trajan Langdon und Mario Chalmers sind aus Alaska. Carlos Boozer auch, der groß raus kam, als ich in der High School war. Und noch viele weitere Spieler die mir gerade nicht einfallen."
Jeder hat einen anderen Werdegang zum Trainer und meiner ist sicherlich speziell.
Nachdem er Alaska verließ um Sport-Management am Flagler College in Florida zu studieren, eröffnete sich eine Karriere als Trainer sowie in O'Shea das Interesse, etwas Neues auszuprobieren.
"Coaching war gar nicht mein Ziel. Ich wurde gerade fertig und arbeitete nebenbei in der Summer Pro League als ich einen Coach traf, der in Österreich arbeitete. Er fragte mich ob ich interessiert wäre, im Jugendbereich zu arbeiten. Dafür entschied ich mich, wollte die Chance nutzen und es hat geklappt."
Was wie ein Jahr Pause für die Arbeit mit jungen Spielern anmutete, wurde zu einem längeren Aufenthalt und ein wichtiges Fundament für O'Sheas Karriere als Trainer. Was ihn auch nach Bonn brachte.
"Ich war 12 Jahre lang im gleichen Klub in Österreich (Swans Gmunden). Ich arbeitete als Assistent mit Mathias Fischer zusammen, der Coach von Bonn wurde. Er nahm mich mit. Nichts davon war geplant, es lief einfach sehr gut. Jeder hat einen anderen Werdegang zum Trainer und meiner ist sicherlich speziell."
In Österreich sammelte O'Shea Erfahrung als Trainer im Jugendbereich der Nationalmannschaft. Erfahrung, die ihm heute noch viel bringt.
"Die Zeit mit den Nationalmannschaften war sehr wichtig. Ich hatte Glück und trainierte sehr talentierte Jahrgänge im Bereich 90 bis 95."
Jakobs Erfolg in der NBA ist keine Überraschung da er ein talentierter und toller Typ ist
Österreich brachte in der Zeit einige der besten jungen Talente hervor. Viele von ihnen haben eine tolle Karriere.
"Mahalbasic war im ersten Sommer im Programm der U20. Er war Teil der großen 91er Generation die die Division B EM gewann."
Rasid Mahalbasic (EWE Baskets)
"Ich arbeitete sechs oder sieben Jahre für den Verband und hatte viele talentierte Spieler um mich. Auch mit der Generation um Jakob Poeltl."
Jakob Poeltl bei der U18 Division B Meisterschaft, 2013
"Jakobs Erfolg in der NBA ist keine Überraschung da er ein talentierter und toller Typ ist und ein harter Arbeiter. Er ist ein fantastischer Pionier als erster Österreicher in der NBA und repräsentiert das Land hervorragend."
Auch wenn nicht jeder Trainer in der Nationalmannschaft auch im Klubbereich eine Karriere macht, so sind die Erfahrungen, die O'Shea in den Sommern gemacht hat unschätzbar. Dort übernahm er als Assistent das Scouting des Gegners, was ihm bei seinem Job in Bonn half.
"Meine Hauptaufgabe war die Videovorbereitung auf den Gegner. Ich war der einzige Assistent und somit verantwortlich für alles."
Scouting ist noch immer O'Sheas Stärke, trotzdem hat er sich weiterentwickelt, vor allem in der Ansprache zu den Spielern.
"Ich denke meine Herangehensweise, wie die von vielen Trainern, ist das schauen vieler Spiele. Wenn ich mir die letzten drei Spiele anschaue, versuche ich zu analysieren, ob die Statistiken mit dem übereinstimmt, was ich gesehen habe. Es stimmt dass wir von den Spielern verlangen, während der Video-Sessions sehr konzentriert zu sein. Auf der anderen Seite wollen wir sie aber auch nicht überlasten."
Und was war das schwerste zu scoutende Team? Casademont Zaragoza.
"Zaragoza läuft viele Plays und es ist schwer sie zu scouten, da sie ihre Ansagen gut maskieren. Genauso wie ihre Plays, die erst vertraut aussehen, dann aber etwas vollkommen anderes sind."
Beim ersten Scouting brauche ich 10-20 Stunden Spiel schauen, Film schneiden und den Bericht schreiben.
Im Modus von zwei Spielen pro Woche wird das Scouting für einen Gegner wie Zaragoza sowie die Vorbereitung der Spieler extrem schwierig. Kein Spieler kann sich alles behalten. O'Shea unterteilt das Team-Video in kleinere Häppchen.
"Normalerweise zeigen wir ein Video von jedem Spieler, da wir die Spielervideos mit dem Team-Scouting kombinieren. Zum Beispiel würden wir Brussino als Shooter nehmen, um die Sets des Teams zu zeigen und wie er Blöcke nutzt um frei zu werden. So haben wir es immer präsentiert - die Tendenzen der Spieler mit den Systemen kombiniert."
Als Beispiel nahm uns O'Shea in den Scouting-Vorgang für Nicolas Brussino mit. Im Folgenden sind drei Clips zu sehen, die den Argentinier als Angreifer zeigen, allerdings auf drei unterschiedliche Weisen, basierend auf der defensiven Ausrichtung.
Im ersten Clip versucht Neptunas an jedem Block zu switchen. Brussino erkennt das und weicht dem aus. #21 Simas Galdikas muss aushelfen, der langsamer ist und den Dreier nicht verhindern kann.
Im zweiten Clip soll #23 Simons von Bonn an Brussino dranbleiben und sich über die Blöcke kämpfen. Wieder erkennt Brussino das und rollt nach innen für den Jumper.
Hier will JDA Dijon, dass #83 Axel Julien Brussino verteidigt. Dieser geht unter dem Block durch - ein Fehler, den der Schütze ausnutzt.
Diese Videos sind kurz und sollen die Spieler so gut es geht auf alle Eventualitäten vorbereiten.
"Scouting-Reports zu schreiben ist bei zwei Spielen pro Woche nicht einfach. Beim ersten Scouting brauche ich 10-20 Stunden Spiel schauen, Film schneiden und den Bericht schreiben."
Selbst in seiner neuen Rolle als Interimstrainer wird die Arbeit für O'Shea nicht weniger.
"Meine Mentalität ist alles zu tun, um meinem Team zu helfen, Spiele zu gewinnen. Meine Rolle ist eine andere, meine Herangehensweise nicht."
Mit der Erfahrung aus der letzten Saison, als er ein strauchelndes Bonn am Ende noch in die Playoffs führte, fühlt sich O'Shea nun gewappneter.
"Als Assistant musst du immer auf alles vorbereitet sein. Da ich schon mal in dieser Situation war, bin ich nun besser vorbereitet."
Auch wenn die neue Rolle eine neue Chance ist, so bringt sie gemischte Gefühle mit sich.
"Ich bin enttäuscht, da wir in solch einer Lage sind, dass der Klub reagieren musste. Thomas ist ein toller Typ und ein Basketball-Experte. Ich habe unsere Zusammenarbeit sehr genossen und viel gelernt."
In Thessaloniki wird O'Shea dann aber den Fokus auf dem Spiel haben. Profisport ist unerbittlich und Zeit für Trauer gibt es keine. Auch wenn Bonn für die Playoffs qualifiziert ist, so entscheidet die Partie, ob die Telekom Baskets Heimrecht haben.
Geno Lawrence (Bonn)
O'Shea ist sich der Verantwortung bewusst und sieht es als Chance. Und es wird schnell klar, wie er seine neue Rolle angeht.
"Immer alles geben und nichts verschenken. In zwei Tagen ist es nicht möglich, taktische Änderungen vorzunehmen. Mein Ziel ist es, dass wir das umsetzen was wir können - 40 Minuten lang. Als Gruppe müssen wir mental stark sein und verstehen, dass wir in dieser schweren Phase kämpfen und uns gegenseitig pushen müssen."
Die Telekom Baskets Bonn spielen heute Abend bei PAOK. Im Hinspiel gewann Thessaloniki mit zwei Punkten. Unter Chris O'Shea wird das Team vorbereitet sein. Ein Sieg bedeutet Heimvorteil und könnte dem Team Selbstvertrauen für die BBL geben. O'Shea war schon in der vergangenen Saison in dieser Rolle mehr als solide. Und genau das braucht Bonn erneut von Chris O'Shea.