08 Oktober, 2019
04 Oktober, 2020
18/04/2020
Diccon Lloyd-Smeath's Champions League Insider
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Die Rekord-Brecher - wie Hapoel Bank Yahav Jerusalem im Angriff dominierte

MADRID (Spanien) - Aufgrund der temporären Aussetzung der Basketball Champions League könnte es Hapoel Jerusalem schwer haben, zu ihrem gefährlichen und spektakulären Basketball zurückzufinden. Wie alle anderen Teilnehmer hofft aber auch der israelische Klub, im Final 8, terminiert für den September, da anzuknüpfen, wo er vor kurzem aufgehört hat.

Natürlich lässt sich aber nicht ignorieren, dass Dinge anders sein werden im September. Der Kader könnte anders aussehen, die aufgebaute Teamchemie braucht erneut Zeit, genauso wie der Spielrhythmus, der aufgrund der langen Pause unterbrochen ist. 

“It’s one of the most creative offensive systems I have ever seen.”- Liam Flynn, Hapoel Jerusalem Assistant Coach


Was von einem Hapoel Jerusalem, trainiert von Oded Kattash aber erwartet werden kann ist eine einmalige Offensive im europäischen Basketball. Die NBA wird immer als Copycat-Liga bezeichnet, dabei ist im globalen Basketball der neueste Trend immer der attraktivste. Die besten Spieler, die besten Trainer studieren sich gegenseitig und versuchen, die Vorteile des Gegenüber zu übernehmen. Die allerbesten unter ihnen gehen aber noch einen Schritt weiter - sie schwimmen gegen den Strom.

Der moderne Basketball sucht nach dem schnellsten Weg, sich einen Vorteil im Angriff zu verschaffen und diesen auszunutzen. Pace & Space hat Einzug gehalten, bei dem vier oder fünf Spieler am Perimeter stehen und Platz schaffen. 

In den vergangenen zwei Jahren war in der BCL zu beobachten, dass Oded Kattash diesen Trend abgewandelt und sein eigenes System etabliert hat. Frei nach der Devise "ein Schritt zurück, zwei vorwärts", bedient er sich alten Methoden, die noch gar nicht so alt sind. 

Rekorde

Kattash hat mit Jerusalem in dieser Saison Rekorde gebrochen. In der folgenden interaktiven Grafik ist Hapoel in der rechten oberen Ecke, was bedeutet, dass sie nicht nur das beste Offensive Rating (ORtg) aller Teams besitzen, sondern (zusammen mit Turk Telekom) auch das beste Effective Field Goal Percentage (eFG%).  Zum ersten Mal in allen vier Jahren BCL ist ein Team auf Platz eins in beiden Kategorien mit Werten von 120.2 (ORtg) und 58.5% (eFG%). Beides BCL-Rekorde. Zuvor hatten diese die EWE Baskets Oldenburg  (118.3 ORtg) und Pinar Karsiyaka (57.6% eFG%) in der Saison 2017-18 inne.

Da enden die Rekorde aber nicht. Schauen wir uns (mittel Synergy) die unterschiedlichen Spielzüge an, dann stellt Jerusalem die besten Halbfeld-Offensive (1.04 Punkte pro Spielzug), die beste Pick'n'Roll-Offense (1.09 Punkte pro Spielzug) sowie den erfolgreichsten Angriff spät auf der Uhr (1.15 Punkte pro Spielzug). 

Das System

Wir sprachen mit Assistent Liam Flynn über die Offense von Oded Kattash und wie der Coach dies an seine Spieler vermittelt. In seiner Rolle fermentiert Flynn die Taktik in Film-Sessions mit den Spieler und ist auf Twitter unter @coachliamflynn zu finden.

"Coach Kattashs Offensive ist einzigartig und effektiv. Er postiert nur drei Spieler außen, während die Basketballwelt vier oder fünf Spieler nach außen stellt. Viele Leute glauben dass es ein traditionelles System basierend auf Post-ups ist. Post-ups sind aber gar nicht in unserem Playbook. Vielmehr geht es um PnR. Sowohl die Guards, als auch die Bigs sind bei uns die Spielmacher. Um ehrlich zu sein ist es eines der kreativsten Systeme, das ich jemals gesehen habe. Obwohl wir mit zwei großen Spielern agieren, ergibt sich immer genug Platz um zu ziehen, zu schneiden und abzurollen." - Liam Flynn. 

Hierfür wollen wir uns einige Szenen anschauen und beginnen mit dem Umschaltspiel. Jerusalem ist das beste Team im Halbfeld, übt in der Transition aber sehr viel Druck auf die Defense aus. Jedes Team versucht im Fast-Break schnell zu punkten. Im System von Kattash sind die großen Spieler wendig und flink und sollen nach einem Wurf - ob erfolgreich oder nicht - in Richtung Korb sprinten. Im folgenden Video macht dies #17 Suleiman Braimoh. Hierdurch macht Jerusalem viele einfache Punkte. 


Als nächstes ist zu sehen, wie die Flügel sprinten und die Ecken besetzen, während der zweite Big als zweite Welle in der Mitte fungiert. #35 TaShawn Thomas holt den Rebound und ist hinter Braimoh. Dann zieht er und passt den Ball zu seinem Mitspieler. Dies unterstreicht, dass die Bigs auch die Spielmacher sind.  


Diese Disziplin und Konsequenz übt Druck auf die Verteidigung aus, die viel kommunizieren muss und der Fehler unterläuft. Diese nutzt Jerusalem früh im Angriff. Einer der üblichsten Spielzüge dafür ist der "Drag Screen". Er umschreibt auch ganz gut, was Coach Kattashs System so anders macht. So sieht normalerweise ein Drag Screen im modernen Basketball aus - 5 Spieler außen, der Blocksteller rollt zum Korb.    

Hapoel Jerusalem ist eines der wenigsten Teams, das den Drag mit einem Innenspieler spielt. Wenn den Blocksteller abrollt, geht den Innenspieler nach außen. #49 Kupsas beweg sich nach außen, als das PnR läuft. Sein Verteidiger geht nicht mit ihm mit, um das PnR zu verteidigen. Somit muss Diawara (#35 Blau) aus der Ecke helfen. 

Jerusalem findet den freien Schützen. Ist dieser John Holland (55.6% 3P) oder James Feldeine (45.5% 3P) ist der Treffer fast so sicher wie ein Korbleger. J'Covan Brown passt den Ball zudem im perfekten Moment 👀. 


Ein weiteres Beispiel, bei dem die Ecke auf der Ballseite leer ist. 


Teams versuchen dies mit dem Verteidiger des Abrollers zu kontern, der absinkt. Was zur Folge hat, dass außen im 2v2 ohne jegliche Hilfe gespielt wird. Ein gutes Rezept, da die Center alle keinen Wurf von außen besitzen? Auch dafür hat das System eine Antwort.   

Im folgenden Clip sinkt der Verteidiger ab. Jerusalem passt auf den Abroller im "Short-Roll" auf Höhe der Freiwurflinie. Der Big (#20 Zalmanson) kann nun den Handoff auf Feldeine machen.


Jerusalem schneidet konsequent und hart zum Korb, was die Defense vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. In allen Spielzügen sie die beiden großen Spieler ein integraler Bestandteil.

"Horns" schafft es, beide Bigs gut einzusetzen und trotzdem Platz auf dem Feld zu schaffen. Hier ist ein Beispiel von "Horns Rip". 


Das Video zeigt einen weiteren Spielzug: FLOW. Laut Yonatan Alon, ebenfalls Assistent von Kattash, ist FLOW das wichtigste Element im System. In den folgenden Videos agieren die Spieler frei, da sie das System verinnerlicht haben und sich ihre Positionen untereinander austauschen können. Ein Beleg für gutes Coaching. 

Im zweiten Video ist "Horns Ram"(nicht der tatsächliche Name) zu sehen. Hierbei setzt ein Post-Spieler einen Block für den Blocksteller im PnR. Hierbei geht es darum, die Hilfe in der Defense zu erzwingen um so Chaos zu stiften und Zuständigkeiten zu sabotieren.  


Folgend läuft Jerusalem diesen Spielzug gegen San Pablo Burgos. Auch hier werden die Spieler im Post optimal eingesetzt. Zuerst setzt #17 Braimoh den perfekten RAM Screen, bleibt dann aber in der Zone und schirmt seinen Verteidiger ab, sodass dieser den ziehenden Feldeine nicht stören kann. 


Folgend spielt Burgos gute Defense und erlaubt den Pass in den Post zu Braimoh nicht und dann nicht auf  #6 Tamir Blatt. Hier zeigt sich FLOW, da andere Spieler die Positionen besetzen und das System umsetzen.  

 

Kreativität

Freiheit durch Struktur.

“A big part of our offensive system is to learn how to be great in your role”- Yonatan Alon, Hapoel Jerusalem Assistant Coach


Wenn eine Einheit an einem Strang zieht und die Rolle des jeweils anderen versteht und diese auch als eigene Verantwortung ansieht, erlaubt dies für Experimente und mehr Freiheit im Spiel. Im folgenden Video erhält TaShawn Thomas als Center den Block im invertierten PnR.  


Dann spielt Jerusalem ihre Offense mit drei Außenspielern - diesmal aber mit drei Großen, TaShawn Thomas als Center, Suleiman Braimoh und Nimrod Levi als Stretch-Forwards. Dieser Spielzug soll AEKs Switching-Zone-Defense durcheinander bringen. Resultat: AEKs Center (#44 Marcus Slaughter) verfolgt Levi und der Ring ist nicht beschützt.

 

Personal

Das System funktioniert, weil die Spieler es spielen und die Spieler sind gut weil das System funktioniert. 

Yonatan Alon, ein weiterer Assistant Coach von Hapoel Jerusalem spricht über die Entwicklung der Spieler. 

"Wir wählen Spieler danach aus, wie sie sich in ihrer Karriere entwickelt haben. Wir wollen Spieler, sich sich mit uns weiterentwickeln. Als Organisation wollen wir jeden Tag besser werden. Ein großer Teil unserer Offensive ist die individuelle Rolle. Daran arbeiten wir mir den Spielern verstärkt und achten auf Details. Das bewirkt, dass Spieler bei uns mehr umsetzen können und eine größere Rolle einnehmen, als im Vorjahr." - Yonatan Alon.

TaShawn Thomas ist der Spieler, der sich in Europa am stärksten weiterentwickelt hat. In zwei Jahren Israel ist er zu einem Spieler geworden, der alle fünf Positionen verteidigen und in der Offensive vielseitig als 4 oder 5 agieren kann. Er bringt alles mit, was ein moderner Big Man können muss. Seine Entscheidungsfindung sowie seine Passqualitäten machen ihn jedoch zu einem herausragenden Spieler, der auch das kann 👇👇...


J'Covan Brown, Tamir Blatt und James Feldeine spielen ebenfalls ihre zweite Saison in Jerusalem und haben sich stark verbessert. Brown hat sich vom Combo-Guard zum Spielmacher entwickelt. Auch Feldeine wird unter Kattash zu einem besseren Spielmacher und ist der vielleicht gefährlichste Schütze in der BCL, in diesem Jahr ist er aber auf #1 in der BCL bei den Pick'n'Rolls die Pässe beinhalten (per Synergy: 1.33PPP).

Tamir Blatt wächst in jedem Spiel. Vergangene Saison war er der beste junge Spieler in der BCL. Er ist wie ein zweiter Coach auf dem Feld. Ist er im letzten Angriff nach einer Auszeit der Spielmacher, trifft Jerusalem 55.6% der Versuche. Was auch immer Coach Kattash braucht, Blatt setzt es um.

Suleiman Braimoh, John Holland und Shelvin Mack haben sich ebenfalls problemlos eingefunden. Mit Feldeine, Thomas, Brown, Braimoh, Holland und Mack hat Coach Kattash sechs Spieler, die mehr als 11 Punkte pro Spiel erzielen. Vor der Aussetzung des Spielbetriebs kam noch Emanuel Terry dazu.

Ich schaute mir in der Quarantäne Moneyball an und erinnere mich an folgendes Zitat von Billy Beane  "Wenn du das letzte Spiel der Saison verlierst, interessiert's keinen, was du vorher gemacht hast."

Hapoel Jerusalem gewann das letzte Spiel der Saison zwar, allerdings stehen sie nicht dort, wo sie sein wollen. Dafür müssen sie im September an die Arbeit einer ganzen Spielzeit anknüpfen.  

 

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Diccon Lloyd-Smeath

Diccon Lloyd-Smeath

Diccon is a basketball coach and analyst living in Madrid. Constantly digging in the crates of box scores and clicking through hours of game footage. Diccon is on the hunt for the stories within the stories. If you like to get a closer look at what’s going in the Basketball Champions League, you have found it.